Intergenerationalität als demokratisches Problem. Generationenbeziehungen im Horizont parlamentarischer Entscheidungsfindungen in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland (ca. 1950–1990)
Teilprojekt Daniel Stienen
Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland gehören zu den Paradebeispielen der westlichen Industrienationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten sie eine ähnliche Entwicklung, indem sie gleichermaßen vom Nachkriegsboom profitierten und sich dann seit den 1970er-Jahren mit tiefgreifenden ökonomischen und sozialen Herausforderungen konfrontiert sahen. Mit einem komparatistischen Ansatz fragt das Projekt, inwieweit die intergenerationelle Perspektive in beiden Ländern politisiert, d. h. von politischen Entscheidungsträgern zur Streitfrage erhoben wurde, und wie sich dies im diachronen Vergleich auf die Konstruktion von Zeithorizonten und die Modifikation von Gestaltungserwartungen auswirkte. Wesentliche äußere Entwicklungsfaktoren, die die Frage nach einer gerechten Ressourcenverteilung zwischen den Generationen aufwarfen, waren abrupte Veränderungen politscher Gestaltungsräume wie die Ölpreiskrise der späten 1970er-Jahre, aber auch schleichende Prozesse wie der demographische Wandel und der Klimawandel. Folglich wird zu prüfen sein, welche Rolle die ‚nachfolgenden Generationen‘ für politische Entscheidungsträger auf den Handlungsfeldern der Renten- und der Klimapolitik als Argumentationsfigur spielten, um Reformvorhaben zu legitimieren oder zu verhindern. Daran schließt sich die Frage an, inwiefern mit dem Aufkommen neuer sozialer Bewegungen, die neue gesellschaftliche Erwartungshaltungen formulierten, auch das Repräsentationsproblem minderjähriger, nicht wahlberechtigter Staatsbürger in Demokratien verhandelt wurde.